030. Erste Einsicht

3.8K 267 25
                                    


Erste Einsicht

۩ ۞ ۩

„Draco, jetzt warte!", hallte Blaise' Stimme durch den Flur. Kurz darauf hatte er den Blonden ein und hielt ihn am Arm fest, aus dem er sich ruppig wand und in ihrem Zimmer verschwand.

„Das hat sie nicht so gemeint. Die ganze Situation ist für sie aber seltsam genug. Das weißt du! Irgendwann wird sie das aber kapieren und -" „Nein", unterbrach Draco ihn. Nicht wütend. Nicht gereizt. Und auch nicht genervt. Im Gegenteil. Er klang furchtbar müde. Auch schwang in diesem einen Wort eine erschlagende Gewissheit mit, die Blaise verwirrt auf ihn schauen ließ.

Draco griff sich derweil eines der Bücher und ließ sich in den weichen Ledersessel fallen. Er sank in diesem zusammen und fing ohne ein weiteres Wort an zu lesen. Er tauchte gänzlich ab, was recht deutlich zu erkennen war. Dass er mit seinen Gedanken und der Konzentration nicht länger im Hier und Jetzt verweilte, sondern in einer anderen Welt.

„Blaise?", richtete sich Charlie leise an ihn, worauf der Dunkelhäutige zu seinem Freund sah. 

„Was war jetzt?" „Ich hab keine Ahnung", murmelte Blaise unsicher und schielte zurück zu dem Blonden, der auf den ersten Blick mit dem Schinken vor sich beschäftigt war. Auf den zweiten Blick konnte man allerdings erkennen, dass ihm noch ganz andere Dinge im Kopf umher gingen. Und diese Dinge waren es, die Blaise verunsicherten.

Am Ende musste er sich fürs Erste damit abfinden. Er wusste, wie stur und verbohrt Draco war. Er würde nicht reden, wenn er auf den Tod nicht reden wollte. Von daher tat er es ihm gleich und schnappte sich stattdessen seine Lektüre. Charlie folgte ihrem Beispiel, sodass eine schier tödliche Stille unter den drei jungen Männern einkehrte.

۩ ۞ ۩

Die Zeit schleppte sich nur so dahin, bis es Abend und schließlich Nacht wurde, in der Blaise und Charlie immer mal lautstark wegnickten. Draco besah sich die Beiden müde, ließ sie aber schlafen. Sobald er etwas gefunden hatte, brauchte er Charlie, oder besser dessen Vater Daniel, in einer vernünftigen Verfassung, damit sie den Fluch gefahrlos aufheben konnten. Und Blaise?

Er könnte ihn wecken, nur war er sich sicher, dass er nach einer halben Stunde wieder schnarchen würde. Und so müde, wie er offensichtlich war, da würde er am Ende den Fluch vielleicht überlesen, immerhin hatten er und Charlie, trotz seiner Erklärung, dennoch keine konkrete Vorstellung von dem, was passiert war.

So schlug er sich die Nacht, wie auch den kommenden Tag um die Ohren, sodass sich neben seinem Sessel bereits sieben dicke Bücher stapelten. Mit dem lausigen Ergebnis, dass er nicht einmal einen kleinen Hinweis entdeckt hatte. Im Gegenteil.

Die Flüche, von denen er las, entdeckte er irgendwann vermehrt auch in den anderen Büchern. Nur nicht diesen einen, was ihn allmählich an den Rand der Verzweiflung trieb.

Irgendwo musste doch aber etwas zu finden sein! Irgendetwas. Wenigstens eine Andeutung auf etwas Ähnliches. Einen artähnlichen Fluch, denn ER für sich vielleicht so verändert hatte, wie er ihn brauchte. Einen Fluch, den er nach seinen Vorstellungen geschaffen hatte. Nur fand er nichts. Rein gar nichts.

„Draco?", echote ihm irgendwann, weit weg, Tonks' Stimme in den Ohren nach. Als er völlig übermüdet zu ihr aufsah, merkte er jetzt erst, dass es draußen aufs Neue stockdunkel war. Auf der Digitaluhr an der Wand stand etwas von 2:27 AM. Es war bereits wieder mitten in der Nacht. Auch hatten sich zu den sieben Büchern auf der einen Seite, nun auch noch acht auf der anderen dazugesellt. Trotzdem hatten sie noch lange nicht alles durch. Charlies Vater entdeckte noch immer Neue, die ihnen Sally ständig brachte. Genauso Tee, belegte Brötchen und einen überdimensioniert starken Kaffee, der Tote wiederbelebt hätte. Es war eine schier tödliche, schwarze Brühe, die Draco unentwegt nebenher in sich rein kippte.

Was im Verborgenen liegt (1/?)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt