135. Vom Ende zum Anfang (2/2)

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Er rannte als wäre der Teufel hinter ihm her.

Vollkommen kopflos stürzte Draco durch die Gänge, die Treppen runter, raus aus dem Schloss auf den Vorhof, wie auch über diesen hinweg. Dabei peitschte ihm der eisig kalte Regen ins Gesicht, während der heulende Herbstwind an seinen Kleidern zerrte und diese binnen weniger Sekunden gänzlich durchnässte.

Draco bemerkte es nicht. Stattdessen rannte er weiter, obwohl er den Dingen, die waren, dennoch nicht entfliehen konnte. All das war viel zu tief in seinem Geist verankert, der ihn gerade drohte in den Wahnsinn zu treiben. Diese Bilder und Gefühle ließen seine Magie weiter kochen und pulsieren. Sie jagte wie eine Feuersbrunst durch seine Venen und drohte diese zu verbrennen. Es war, als hätte er Lava in den Adern, die nicht einmal der Eisregen über ihm zu löschen vermochte.

Schließlich kam er stolpernd am See an, dessen dunkle Wassermassen sich durch den Sturm gefährlich aufbäumten. Auf diese starrte er getrieben und brüllte sich die Lunge aus dem Leib.

Es war ein verzweifelter Schrei, der vom Wind hinfort gerissen wurde, noch bevor jemand diesem lauschen konnte. Kurz darauf brach er völlig ausgelaugt auf Hände und Knie zusammen und rang schwer nach Atem. Seine Lungen brannten jedoch weiter, als stünden sie in Flammen, wie auch der Rest seines Körpers. Aus diesem wich damit das letzte bisschen Kraft, sodass er gänzlich zur Seite wegklappte und sich auf dem Kies am Seeufer schwer atmend auf den Rücken drehte. Den Blick matt in den dunklen Himmel gerichtet, der für eine erneute Apokalypse zu proben schien. Am Ende schloss er vollkommen fertig die schweren Lider.

Merlin, er konnte nicht mehr. Seine Albträume, diese scheiß Ausbrüche... Das alles würde ihn irgendwann umbringen. Er hatte keine Ahnung, wie er das je in den Griff kriegen sollte, denn es wurde nicht besser, sondern im Gegenteil schlimmer. Je stärker die Vergangenheit ihn heimsuchte, umso heftiger kochte seine Magie hoch. Gleich so, als wolle sie gegen all das rebellieren und sich zur Wehr setzen. Nur dass das nicht ging. Man konnte die Geister der Vergangenheit nicht bekämpfen. Man konnte sie nur akzeptieren. Aber wie? Wie?

Wie sollte er das machen, wenn sie ihn zeitgleich immer wieder aufs Neue drohten aufzufressen? Zu verschlingen? Wie konnte er mit ihnen leben? Was sollte das überhaupt für ein Leben sein? Eines in Angst, Schmerz und Einsamkeit? Dunkelheit? Auf so ein Leben konnte er verzichten, immerhin wusste er, was das für ein Leben war. Er hatte diese Dinge bereits zu lange, zu intensiv in seinem bisherigen Dasein gehabt. Er legte absolut keinen Wert darauf, weiter mit diesen Dingen leben zu müssen. Existieren zu müssen. Vielleicht sollte er einfach -

„Komm ja nicht auf die Idee, das auch nur zu denken!", schimpfte aus heiterem Himmel ein Kinderstimmchen böse mit ihm, worauf er stöhnte. Er wusste wer, oder besser gesagt was ihn da erneut nervte, um nicht zu sagen heimsuchte.

Als er die Augen öffnete und den Kopf müde zur Seite drehte, sah er sich seine Befürchtung bestätigt. Dort stand der kleine Quälgeist, der ihn schon zweimal besucht hatte. Nämlich einmal damals in Azkaban, als er all seine Hoffnungen verloren geglaubt hatte, wie auch jetzt am Sonntag erst auf dem Astronomie-Turm.

Nach dem bitteren Gespräch mit Hermione vom Vorabend, hatte er sich wie in Trance auf diesen begeben. Auch dort war ihm der Kleine irgendwann erschienen, als die Dunkelheit in seinem Innern gedroht hatte ihn gänzlich zu verschlingen. An dieses Gespräch erinnerte er sich nur schwach, da er geistig irgendwie überhaupt nicht mehr bei sich war. Nur so viel wusste er noch, dass der Kleine ihn dazu bewegt hatte, ins Schloss zurück zu gehen. Weg von der so verführerischen Brüstung, die ihm verheißungsvoll zugeflüstert hatte. Jetzt und hier war es nur der Wind, der heulte und den Eisregen ungezähmt umher peitschte.

Was im Verborgenen liegt (1/?)Where stories live. Discover now